mercredi 3 mars 2010

Dilly, Knigge und Co

Benimm ist wieder "in", und das hat - Gott Lob - vieles für sich. Ich gehöre zur Generation der 68er. Wir waren redlich bemüht, auf das mühselige und als reaktionär artifiziell empfundene Erbe der tradierten Höflichkeit zu "verzichten". Es gelang uns - wenn nicht bei uns selbst (was bis einmal unter der Haut sitzt!), dann zumindest bei unseren Kindern und Enkeln.

Manches ist uns nun leid (Pendel schlagen gelegentlich rasch zurück!): überlautes Gedröhne aus den Musikboxen Jugendlicher, Zigarettenkippen und ausgespuckte Kaugummis auf den Bürgersteigen, alltägliche sprachliche Entgleisungen (selbstverständlich auch live im Radio), arglose Arroganz, nicht einmal mehr wahrgenommene Respektlosigkeit gegenüber Senioren... Vorsicht: wir Ältere meinen Unhöflichkeit vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten. Es lohnt, die Perspektive zu wechseln und sich unser soziales Miteinander aus dem Blickwinkel Jüngerer anzuschauen. Wir merken rasch: wir 68er haben doch "gelernt".


Für Benimm, Anstand und Höflichkeit gibt es unterschiedliche Motive.


Das einleuchtendste ist gewiss der Respekt voreinander und die Rücksicht auf Schwächere: Hochschwangere, Kinder, Behinderte, Kranke, Hochbetagte, Pflegebedürftige... Einen Sitzplatz im überfüllten Bus überlassen bleibt eine "Wohl-Tat", fördert sozale Integration und Partizipation. Ein weniger klassisches Beispiel: ausländischen Autofahrern "ungerechtfertigte Vorteile" gewähren (ohne wütend zu hupen und ohne jedes herablassende Kopfschütteln!). Dort wo wir "Ausländer" sind - in Paris, Brüssel oder Frankfurt - wissen wir solche Gesten zu schätzen. Oder?


Ein weiteres Motiv ist gewiss unsere Mitverantwortung für das Wohl der Gemeinschaft: das Umfeld sauber halten (leere Zigarettenpackung in den Abfalleimer!), für freundliche Umgangsformen sorgen (unter Nachbarn, auf der Strasse...). Beispiele? Ein defensiver Fahrstil; Menschen anschauen, die mit einem reden; seine Impulsivität im Griff haben.


Vergessen wir nicht, dass ein gemeinsamer Fundus von verbindlichen Umgangsregeln Zugehörigkeitsgefühle auslöst und sozialen Zusammenhalt fördert. Ich erlebe dies ganz stark in meiner Wohngemeinde Fischbach. Ich denke, dass wir - nicht nur in Luxemburg - diese Erfahrung vernachlässigt haben. Dabei ist sie wesentlicher Bestandteil jeder guten Nachbarschaft.

Benimm ist keine natürliche Gabe, die aus sich heraus zum Tragen käme. Er zeigt sich dort, wo er bewusst tradiert und gepflegt wird. Dazu gehören offene Worte und vor allem das vorgelebte Beispiel.

Ich wehre mich allerdings entschieden gegen die neu herausgeputzten Regeln der "Etkette" und die sich selbst weihenden Benimmgurus à la Knigge. Umgangsregeln haben nichts gemein mit aufgesetztem Manierismus und gekünsteltem Snobismus. Höflichkeit ist nur freundlich und echt, wo sie spontan bleibt, aus der Seele kommt, den Humor nicht vergisst.

Alles übrige: "Nee Merci!"

Schoos, 3. März 2010.

Mill Majerus

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