jeudi 17 décembre 2009

Wer wir sind...

"Sind", "Wer", "Wir".
Mit diesen Worten kann man sprachlich und gedanklich "spielen":
Wir sind wer! Aber wer sind wir?
Das passende Thema dazu ist in diesen Tagen brennend aktuell.

Am 1. Dezember gibt sich die Europäische Union einen neuen Grundvertrag. Unser geschätzter Premierminister wird trotz (wenn nicht sogar wegen) seiner unbestrittenen Vorzüge nicht zum ersten Ratzsvorsitzenden der Union auserkoren. Der Rapporteur des Gesetzes über den Staatshaushalt 2010, Lucien Thiel, macht klar, dass Luxemburg seine Position als einsame Insel der finanziell Glückseligen verliert. In diesen Tagen erinnern wir uns an die Rundstedtoffensive Ende 44/Anfang 45 und an ihre schlimmen Folgen für unser Ösling. Am 16. Dezember verabschiedet die Abgeordnetenkammer ein Gesetz, das den öffentlichen Dienst für EU-Bürger öffnet....

Bei diesen teils sehr unterschiedlichen Aktualitätsthemen klingt jedes Mal die Frage unserer Identität mit an. (Fast hätte ich spontan geschrieben: unserer Luxemburger Identität; sollte es gar richtiger heissen: unserer Identität in Luxemburg?).

Bereits nach dem in dieser Frage so bedeutsamen 2. Weltkrieg gab es keinen Konsens darüber, wer letzlich als "guter Luxemburger", wer trotz erbrachter Opfer eher als Bürger zweiter Klasse oder gar als suspekter Landsmann einzustufen war.

Kurze Zwischenbemerkung:
Als Sohn eines Zwangsrekrutierten und Resistenzlers stelle ich mir die Frage, inwiefern es nicht ungehörig ist, über unsere Luxemburger Identität in der deutschen Sprache zu reflektieren. Mein alter Deutschlehrer Fernand Hoffmann reagiert sarkastisch auf den Spruch "Ich si stolz Lëtzebuerger ze sinn" mit dem Gegenslogan "Ech sinn houfreg kee Preis ze sinn".

Also, wenn schon nach dem Krieg, der unser Identitätsgefühl nachhaltig prägte, das Thema eher heikel war, so birgt die Frage im Kontext der offenen und pluralen Gesellschaft unserer Zeit kaum weniger Zündstoff.

Wir sind wer! Zumindest erheben wir mal diesen Anspruch. Und - Gott sei Lob - haben wir die Schleck Brüder, die dies mit dem Roten Löwen sogar in Sarkoland belegen.

Wir sind wer, aber wer sind wir im neuen Luxemburg? Luxemburg: bescheidenes Mitglied (wenn auch Mitbegründer) im wachsenden Europäischen Haus, Mehrheit von Nichtluxemburgern auf dem einheimischen Arbeitsmarkt, zunehmende Abhängigkeit unserer Betriebe von ausländischen Grossunternehmen (da gab es doch mal "unsere" ARBED!)...

Wer sind wir und wer können wir sein? Wer sind die, die als Nichtluxemburger neben und mit uns wohnen, lernen, arbeiten, Freizeit gestalten, soziale Verantwortungen übernehmen, lieben, hoffen und glauben? Sind wir Gemeinschaft geworden? Sind wir zu einem neuen, farbigeren und reicheren Wir zusammen gewachsen? Oder bemühen wir uns zumindest miteinander redlich darum?

Wer sind unsere Kinder und Enkel, die uns, unser Land und unsere Kultur, in ihrem Wappen tragen, die aber weit entfernt unter "Fremden" wohnen, arbeiten, studieren, sich engagieren, Ideale vertreten und umsetzen? Sind sie auch noch wir? Oder nutzen sie das Erbe, das wir ihnen anvertrauten, um in ihrer neuen Heimat neue Identitäten mit zu gestalten?

Woran machen wir Identität fest? Sprache, Wohnrecht, Arbeitsplatz, Abstammung, Freundschaft, Solidarität, Kultur, Werte, Normen, Rituale, Feste... Identität ist kein statisches Gut, das sich horten und abschirmen liesse. Es ist eine Saat, die neue Früchte schenkt, wenn wir sie teilen.

Luxemburg heute hat viele Gesichter, viele Hände, viele Beine, viele Herzen... Die Menschen in unserem Land entwickeln viele Identitäten. Wenn wir diesen breiten Fluss als reiches Potential zu fassen verstehen, dann hat Luxemburg eine vielseitige und sehr farbenfrohe Identität, die uns einen neuen "ersten Platz" in Europa zusichert. Nicht den Sitz des Geldes, aber den Brennpunkt der Kreativität und Innovation.

Dieser Platz beschert uns Spannungen und Konflikte, aber auch tolle Ressourcen. Diese Saat verspricht eine reiche Ernte, wenn wir es schaffen "viel zusammen zu streiten, aber doch ohne miteinander Streit zu bekommen." (Um unseren geliebten JCJ zu zitieren!)

Das plurale Luxemburg ist weniger "neu" und "kurios" als wir Heutige dies auf den ersten Blick vermuten. Es lohnt sich, die Geschichte unserer "Ecke" unter diesem Aspekt zu analysieren. Ich begrüsse es, dass unsere Luxemburger Universität sich künftig verstärkt dem Thema unserer sich wandelnden Identitäten annimmt. Desgleichen freue ich mich darüber, dass in unserem Festungsmuseum eine eigene Abteilung zur Identitätenfrage entsteht. Dies verspricht spannende Auseinandersetzungen zu einem uns bewegenden Thema: Wer sind und wer werden wir miteinander in unserem gemeinsamen Luxemburg?

Schoos, 18. Dezember 2009.

Mill Majerus

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